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Wussten Sie, dass türkische Amerikaner, obwohl sie zahlenmäßig eine kleinere Gruppe darstellen, einen überproportionalen Einfluss auf die US-Wirtschaft und Wissenschaft haben?
Vergessen Sie die trockenen Statistiken für einen Moment. Die Geschichte der Türken in Amerika ist keine gewöhnliche Einwanderergeschichte. Es ist eine Reise von den anatolischen “Sojourners” (Gastarbeitern) des frühen 20. Jahrhunderts, die eigentlich zurückkehren wollten, bis hin zu den heutigen Innovatoren im Silicon Valley und den diplomatischen Kraftzentren in New York City.
In diesem Leitfaden tauchen wir tief in die Realität der türkischen Diaspora ein – jenseits von Klischees. Wir beleuchten die echten Zahlen, die lebendigsten Enklaven wie “Little Istanbul” und die Strukturen, die diese Gemeinschaft zusammenhalten.

Von Gastarbeitern zu Weltbürgern: Eine historische Perspektive
Die türkische Präsenz in den USA lässt sich nicht in eine einzige Schublade stecken. Historiker unterteilen die Migration oft in drei prägende Wellen, die das heutige Bild der Gemeinschaft formten:
- Die Osmanische Welle (1820–1924): Schätzungsweise 25.000 bis 50.000 muslimische Türken kamen in dieser Zeit an. Viele waren Männer aus ländlichen Gebieten, die als sogenannte “Sojourners” kamen – mit dem festen Ziel, Geld zu verdienen und in die Heimat zurückzukehren. Tatsächlich kehrte ein großer Teil von ihnen nach Gründung der Türkischen Republik 1923 zurück.
- Der “Brain Drain” (nach 1950): Nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich das Profil drastisch. Es kamen vorwiegend hochqualifizierte Fachkräfte – Ingenieure, Ärzte und Wissenschaftler –, die oft an amerikanischen Universitäten blieben.
- Die moderne Ära (ab 1980): Eine Mischung aus wirtschaftlicher Migration und Bildungselite, die sich dauerhaft niederließ und begann, feste kulturelle Institutionen zu gründen.
Heute finden Sie türkische Amerikaner nicht nur in Fabriken, sondern in den Vorstandsetagen von Tech-Giganten, in der NASA und als führende Köpfe in der medizinischen Forschung. Der Wandel vom Arbeiter zum Akademiker ist das Markenzeichen dieser Diaspora.
Die harten Fakten: Wie viele Türken leben wirklich in den USA?
Hier herrscht oft Verwirrung. Während ältere Internetquellen teils wilde Zahlen nennen, müssen wir realistisch bleiben. Es gibt keine 84 Millionen Türken in den USA (das ist fast die gesamte Bevölkerung der Türkei!).
Die Realität sieht so aus:
- Offizielle US-Zensus-Daten (2023): Diese weisen etwa 250.000 bis 350.000 Personen aus, die sich selbst als “türkisch” identifizieren.
- Schätzungen der Gemeinschaft: Organisationen wie die Turkish Coalition of America gehen von über 500.000 Menschen türkischer Abstammung aus. Diese Diskrepanz entsteht, weil viele Türken sich im Zensus einfach als “weiß” eintragen oder Nachkommen sind, die die Sprache nicht mehr fließend sprechen.
Wo das Herz schlägt: Türkische Enklaven in den USA
Wenn Sie authentischen türkischen Tee oder anatolische Teppiche suchen, müssen Sie wissen, wo Sie hinsehen müssen. Die Gemeinschaft ist weit verstreut, aber es gibt klare Hotspots:
1. Paterson, New Jersey – “Little Istanbul”
Dies ist das unbestrittene kulturelle Zentrum an der Ostküste. In South Paterson (oft auch “Little Ramallah” genannt, da es sich mit der arabischen Community überschneidet) finden Sie die höchste Konzentration türkischer Restaurants, Bäckereien und Lebensmittelhändler. Es ist der Ort, an dem die Tradition am lebendigsten ist.
2. New York City & Long Island
In New York leben Türken oft in Brooklyn (Sheepshead Bay, Bay Ridge) und Queens (Sunnyside). Die Stadt ist auch das diplomatische Herz der Diaspora, gekrönt vom imposanten “Turkish House” in Manhattan.
3. Kalifornien, Texas & Florida
Während die Ostküste traditioneller geprägt ist, zieht Kalifornien (Los Angeles, San Francisco) vor allem Tech-Profis und Akademiker an. In Texas (Houston) arbeiten viele türkische Ingenieure im Energiesektor, während Florida als beliebtes Ziel für Investoren und Rentner gilt.
Das Türkische Haus (Türkevi): Ein Symbol der Stärke
Mitten in Manhattan, direkt gegenüber dem UN-Hauptquartier, ragt ein Stück Türkei in den Himmel. Das Türkevi Center ist mehr als nur ein Gebäude; es ist ein Statement.

- Architektur: Der 171 Meter hohe Wolkenkratzer mit 36 Stockwerken wurde vom Architekturbüro Perkins Eastman entworfen. Seine geschwungene Fassade symbolisiert den Halbmond, und die Spitze öffnet sich wie eine Tulpe – die Nationalblume der Türkei.
- Funktion: Eröffnet im September 2021 von Präsident Erdoğan, beherbergt es die Ständige Vertretung bei den Vereinten Nationen und das Generalkonsulat. Es ist der zentrale Ort für kulturelle Veranstaltungen, wie die “Woche der türkischen Küche”.
- Adresse: 821 United Nations Plaza, New York, NY 10017.
Wichtige Kontakte & Organisationen
Für Neuankömmlinge oder diejenigen, die geschäftliche Beziehungen suchen, sind diese Institutionen unverzichtbar:
Die Türkische Botschaft in Washington, D. C.
Die diplomatische Vertretung ist Ihre erste Anlaufstelle für Visa-Fragen, Beglaubigungen oder Passangelegenheiten.
- Adresse: 2525 Massachusetts Avenue, NW, Washington, D. C. 20008
- Telefon: +1 (202) 612-6700
- E-Mail: embassy.washingtondc@mfa.gov.tr
American Turkish Society (ATS)
Seit 1949 fördert die ATS die kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen. Sie ist besonders relevant für Unternehmen und Künstler. Die Gesellschaft organisiert Filmfestivals und vergibt Stipendien.
- Website: www.americanturkishsociety.org
- Kontakt: info@americanturkishsociety.org
Ausblick: Die Zukunft der Diaspora
Die türkisch-amerikanische Gemeinschaft steht an einem Wendepunkt. Während die erste Generation hart daran arbeitete, Fuß zu fassen, prägt die zweite und dritte Generation nun aktiv die amerikanische Zivilgesellschaft – sei es in der Politik, in der Kunst oder als Brückenbauer für Kunsthandwerk und Handel. Mit starken Institutionen wie dem Türkevi und wachsenden Enklaven in New Jersey und darüber hinaus ist das türkische Element im “Schmelztiegel” USA heute sichtbarer denn je.







