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Istanbul, Antalya oder Izmir: Wer einmal versucht hat, sich in den türkischen Metropolen nur auf öffentliche Verkehrsmittel oder Taxis zu verlassen, kennt den Kampf. Überfüllte Busse und unberechenbare Taximeter wecken schnell den Wunsch nach Unabhängigkeit. Aber können Ausländer in der Türkei überhaupt problemlos ein Auto kaufen?
Die kurze Antwort lautet: Ja.
Die lange Antwort ist jedoch etwas komplizierter. Es gibt nämlich nicht nur „den einen” Weg zum eigenen Auto, sondern zwei völlig unterschiedliche Pfade, je nach Ihrem Aufenthaltsstatus. In diesem Leitfaden führen wir Sie durch den Dschungel der türkischen Bürokratie – vom Notartermin bis zur berüchtigten „6-Monate-Regel” beim Führerschein. Wir verzichten auf trockenes Wikipedia-Wissen und konzentrieren uns auf das, was in der Praxis 2025 wirklich zählt.

Weg 1 vs. Weg 2: Welches Kennzeichen brauchen Sie?
Bevor Sie sich nach Modellen umsehen, müssen Sie eine strategische Entscheidung treffen. In der Türkei unterscheiden wir zwischen zwei Arten des Autokaufs für Ausländer:
1. Der reguläre Kauf (Türkisches Kennzeichen)
Dies ist der Standardweg für die meisten Expats und Residenten. Sie kaufen ein Auto (neu oder gebraucht) genau wie ein türkischer Staatsbürger. Das bedeutet:
- Sie zahlen den vollen Preis inklusive der in der Türkei sehr hohen ÖTV (Sonderverbrauchssteuer) und KDV (Mehrwertsteuer, aktuell 20 %).
- Vorteil: Sie können das Auto später an jeden verkaufen – egal ob Türke oder Ausländer. Der Wiederverkaufswert bleibt stabil.
- Nachteil: Autos sind in der Türkei aufgrund der Steuern deutlich teurer als in Deutschland oder Österreich.
Interessieren Sie sich für aktuelle Preise? Ein Blick auf Marken wie Kia Türkei gibt Ihnen ein gutes Gefühl für das Preisniveau bei Neuwagen.
TR-AUTO PILOT
Finanzielle Last
Hoch (inkl. ÖTV)- Fahrzeug darf von jedem gefahren werden.
- Hoher Wiederverkaufswert auf dem freien Markt.
- Enorme Steuerbelastung beim Kauf (bis zu 200%).
Achtung, 6-Monate-Regel: Nach 180 Tagen wird Ihr ausländischer Führerschein ungültig. Sie müssen ihn umschreiben lassen oder ausreisen, sonst drohen hohe Strafen (Fahren ohne Fahrerlaubnis).
2. Das steuerfreie „Blue Plate” (MA-MZ Kennzeichen)
Unter bestimmten Voraussetzungen können Ausländer ein Auto „tax-free” kaufen (von einem anderen Ausländer) oder importieren. Diese Autos erhalten ein Kennzeichen, das mit den Buchstaben MA bis MZ beginnt.
- Wer ist berechtigt? Ausländische Rentner, Inhaber einer Arbeitserlaubnis (Work Permit), Diplomaten und ausländische Studenten. Achtung: Normale Touristen oder Inhaber einer kurzfristigen Aufenthaltsgenehmigung ohne Arbeitsrecht fallen oft durch das Raster.
- Vorteil: Sie sparen die enorme ÖTV-Steuer.
- Nachteil: Sie dürfen das Auto nur an andere berechtigte Ausländer verkaufen. Der Markt ist viel kleiner. Zudem darf nur der Halter und dessen engste Familie (Ehepartner, Kinder) das Fahrzeug steuern.
Der Kaufprozess: So läuft es beim Notar ab
Anders als in vielen europäischen Ländern läuft in der Türkei nichts ohne den Notar. Es gibt keinen „Handschlag-Verkauf” auf der Straße. Der Prozess ist streng geregelt und mittlerweile sehr sicher.
Die Voraussetzungen
Damit der Notar den Kauf beurkunden kann, benötigen Sie zwingend:
- Reisepass: Eine notariell beglaubigte Übersetzung Ihres Reisepasses.
- Steuernummer (Vergi Numarası): Oder Ihre türkische Identifikationsnummer für Ausländer (YKN), die auf Ihrem Ikamet steht.
- Gültiger Aufenthaltstitel (Ikamet): Zwar ist der Kauf theoretisch auch nur mit Steuernummer möglich, aber für die spätere Anmeldung und Versicherung ist eine Adresse und Aufenthaltserlaubnis fast unumgänglich.
Profi-Tipp: Sprechen Sie kein Türkisch? Dann müssen Sie laut Gesetz einen vereidigten Dolmetscher zum Notartermin mitbringen. Planen Sie hierfür zusätzliche Kosten ein. Mehr zu den genauen Kosten finden Sie in unserem Artikel über Notargebühren in der Türkei.
Der Ablauf Schritt für Schritt
- Fahrzeugprüfung (Ekspertiz): Kaufen Sie niemals einen Gebrauchtwagen ohne einen aktuellen „Ekspertiz”-Bericht. Diese unabhängigen Prüfstellen checken Motor, Lackdichte (um Unfälle zu entlarven) und Mechanik. Das ist in der Türkei Standard.
- Notartermin: Verkäufer und Käufer treffen sich beim Notar. Der Notar prüft im System, ob das Auto schuldenfrei ist (keine unbezahlten Steuern oder Strafzettel).
- Bezahlung: Bargeldkoffer waren gestern. Heute nutzt man das „Sichere Zahlungssystem” (Güvenli Ödeme Sistemi) der Banken. Das Geld wird erst freigegeben, wenn der Notar den Verkauf bestätigt.
- Übergabe: Sie erhalten sofort den vorläufigen Fahrzeugschein. Die eigentliche Zulassungskarte (Ruhsat) wird Ihnen per Post zugeschickt oder kann später abgeholt werden.
Falls Sie Ihr Auto online suchen möchten: Der Marktführer ist die Plattform „Sahibinden”. Meine persönlichen Erfahrungen damit habe ich hier zusammengefasst: Sahibinden Deutsch: Meine Erfahrung mit dem Kauf.
Vorsicht Falle: Der Führerschein
Viele Ausländer tappen hier in eine teure Falle. Ja, Sie dürfen mit Ihrem ausländischen Führerschein in der Türkei fahren – aber nur für 6 Monate nach Ihrer Einreise.
Wenn Sie länger als sechs Monate im Land bleiben, wird Ihr ausländischer Führerschein ungültig. Sie riskieren hohe Strafen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Sie haben dann zwei Optionen:
- Umschreibung: Sie lassen Ihren Führerschein in einen türkischen umschreiben (der ausländische wird dabei oft eingezogen/verwahrt).
- Ausreise: Sie verlassen die Türkei und reisen neu ein, wodurch die 6-Monats-Frist von vorne beginnt (Vorsicht: Dies ist eine Grauzone und hängt von der genauen Auslegung der Beamten ab; die sicherste Methode ist die Umschreibung).
Laufende Kosten: Steuern, TÜV und Versicherung
Ein Auto in der Türkei zu besitzen, bedeutet auch, die laufenden staatlichen Abgaben im Blick zu haben. Diese unterscheiden sich teils deutlich von europäischen Systemen.
1. MTV (Kfz-Steuer)
Die Motorlu Taşıtlar Vergisi (MTV) ist eine jährliche Steuer. Sie wird nicht monatlich abgebucht, sondern muss aktiv in zwei Raten (Januar und Juli) gezahlt werden (online oder via Bank-App). Die Höhe richtet sich nach dem Hubraum und dem Alter des Fahrzeugs – nicht nach CO2-Ausstoß.
2. TÜVTÜRK (Fahrzeuguntersuchung)
Ja, der TÜV heißt in der Türkei tatsächlich TÜVTÜRK und ist ein Partner des deutschen TÜV Süd. Die Regeln sind strikt:
- Neuwagen: Die erste Untersuchung ist erst nach 3 Jahren fällig.
- Privat-PKW: Danach alle 2 Jahre.
- Nutzfahrzeuge: Jedes Jahr (Achtung: Viele Pick-ups oder Kastenwagen gelten als Nutzfahrzeuge!).
3. Versicherung
Die Verkehrsversicherung (Trafik Sigortası) ist Pflicht. Sie deckt jedoch nur Schäden beim Unfallgegner ab. Angesichts der teils chaotischen Verkehrslage in Istanbul oder Ankara empfiehlt sich dringend eine Kasko-Versicherung (Vollkasko), die auch Schäden am eigenen Auto abdeckt.
Einen detaillierten Einblick in die Versicherungswelt finden Sie in unserem Spezialartikel: Kfz-Versicherung in der Türkei: Ein umfassender Leitfaden für Ausländer.
Fazit: Lohnt es sich?
Ein eigenes Auto in der Türkei bedeutet Freiheit. Sie können die atemberaubenden Küstenstraßen der Ägäis erkunden oder spontan in die Berge fahren. Wenn Sie die hohen Anschaffungskosten (durch die Steuern) akzeptieren und die bürokratischen Hürden einmal genommen haben, ist der Unterhalt vergleichsweise überschaubar.







