Stahl in der Türkei 2025: Hersteller, Preise & Import-Guide

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Die Türkei ist längst mehr als nur ein Lieferant – sie ist Europas strategische „Gießerei” vor der Haustür. Während globale Lieferketten bröckeln, hat sich die Türkei mit einer Exportsteigerung von über 27 % im Jahr 2024 als unverzichtbarer Partner für die europäische Industrie etabliert. Doch für Einkäufer und Händler gibt es einen entscheidenden Haken: Wer die komplexen Zollquoten und Qualitätsstandards nicht kennt, zahlt schnell drauf.

Dieser Leitfaden ist kein trockenes Datenblatt. Wir analysieren, warum türkischer Stahl für Ihre CO2-Bilanz Gold wert sein kann, welche Hersteller wirklich liefern und wie Sie den Import ohne böse Überraschungen meistern.

Türkischer Stahl Navigator

Strategischer Import-Leitfaden für europäische Einkäufer

Elektrolichtbogenöfen

EAF – Recycling-Technologie
27Anlagen
Niedriger CO2-Fußabdruck

Klassische Hochöfen

Kohleintensive Produktion
3Anlagen
Höhere Emissionen

Insider-Tipp für ESG-Compliance

Wenn Ihr Unternehmen auf ESG-Kriterien achten muss, fragen Sie explizit nach EAF-Stahlzertifikaten. Das kann Ihre CO2-Bilanz deutlich verbessern – ein massiver Wettbewerbsvorteil im Hinblick auf den europäischen Green Deal.

Der türkische Stahl-Boom: Warum gerade jetzt?

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Im Jahr 2024 produzierte die Türkei 36,9 Millionen Tonnen Rohstahl, ein Anstieg von 9,4 % gegenüber dem Vorjahr. Damit wächst die türkische Stahlindustrie schneller als fast jeder andere Konkurrent in den Top 15 der Welt (nur Vietnam wuchs schneller).

Warum ist das für Sie wichtig?

  • Nähe ist Geld: Die Exporte in die EU explodierten 2024 um fast 65 %. Der Grund? Kurze Lieferwege schlagen teure Fernost-Frachten.
  • Der „Green Steel” Vorteil: Hier liegt das wahre Geheimnis. Im Gegensatz zu Deutschland oder China, die oft noch auf kohleintensive Hochöfen setzen, nutzt die Türkei überwiegend Elektrolichtbogenöfen (EAF). Aktuell gibt es 27 EAF-Anlagen, aber nur 3 klassische Hochöfen. Das bedeutet: Türkischer Stahl hat oft einen deutlich geringeren CO2-Fußabdruck – ein massiver Wettbewerbsvorteil im Hinblick auf den europäischen „Green Deal”.

Insider-Tipp: Wenn Ihr Unternehmen auf ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung) achten muss, fragen Sie explizit nach EAF-Stahlzertifikaten. Das kann Ihre CO2-Bilanz retten.

Stahlproduktion in einer türkischen Fabrik

Marktüberblick: Wohin fließt der Stahl?

Dank aggressiver Marketingstrategien und flexibler Produktion exportieren türkische Unternehmen weltweit. Die Europäische Union ist 2024 mit Abstand der wichtigste Markt (ca. 5,9 Millionen Tonnen), gefolgt von anderen europäischen Ländern und dem Nahen Osten. Interessant ist der Wandel: Während Exporte nach Nordamerika aufgrund von Schutzzöllen sanken, boomt der Handel mit Italien und Rumänien.

Doch es ist nicht alles rosig. Die Türkei kämpft selbst mit einer Flut billiger Importe, insbesondere aus China. Dies drückt die Preise im Inland, was für Sie als Einkäufer jedoch eine Chance auf günstige Konditionen sein kann.

Praxis-Guide: Stahl aus der Türkei importieren

Der Importprozess wirkt auf den ersten Blick simpel, da die Türkei und die EU eine Zollunion bilden. Doch Vorsicht: Stahl ist oft eine Ausnahme. Hier ist der Fahrplan für Profis, um teure Fehler zu vermeiden:

  1. Die „Safeguard”-Falle prüfen: Das ist der wichtigste Punkt. Die EU hat Kontingente (Quoten) für Stahlimporte. Ist das Kontingent für türkischen Stahl erschöpft, fällt sofort ein Strafzoll von 25 % an. Prüfen Sie vor Vertragsabschluss den aktuellen Stand der EU-Quote!
  2. Zertifikate & Normen: Verlassen Sie sich nicht nur auf mündliche Zusagen. Bestehen Sie auf Konformitätserklärungen nach EU-Normen (z. B. DIN EN). Türkische Hersteller sind hier meist sehr gut aufgestellt, aber Kontrolle ist besser. Für Dokumenten-Legalisierungen empfehle ich Ihnen meinen Artikel über Legalisierung ausländischer Dokumente.
  3. Logistik & Transport: Nutzen Sie die geographische Nähe. Stahl kann per LKW oder Schiff in wenigen Tagen in Hamburg oder Triest sein. Mehr Details dazu finden Sie im Leitfaden Top 15 türkische Werften, falls Sie an Schiffbau-Stahl interessiert sind.

Grundlegende Voraussetzungen für den Importeur:

  • Gültiges Handelsregister und EORI-Nummer (in der EU).
  • Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Zollagenten (vermeiden Sie „Do-it-yourself” beim Zoll).
  • Bankbestätigung für Auslandsüberweisungen.

Die Big Player: Liste der türkischen Stahlhersteller

Die türkische Stahlindustrie ist fast vollständig privatisiert und hochmodern. Hier sind die Schwergewichte, die Sie kennen sollten:

  • Erdemir (Ereğli Demir ve Çelik Fabrikaları): Einer der größten Flachstahlproduzenten weltweit.
  • İsdemir (Iskenderun Iron and Steel): Spezialisiert auf Lang- und Flachstahl, Teil der OYAK-Gruppe.
  • İçdaş: Ein Riese im Energie- und Stahlsektor mit eigener Hafenlogistik.
  • Çolakoğlu Metalurji: Pioniere in der EAF-Technologie.
  • Tosçelik: Stark bei Profilen und Rohren (Teil der Tosyalı Holding).
  • Kardemir: Der traditionsreiche Hersteller aus Karabük, spezialisiert auf Eisenbahnschienen und Schwerprofile.

Diese Unternehmen investieren massiv in Technologie, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Viele von ihnen sind auch im Sektor Eisenguss tätig, was für Käufer von Industriekomponenten interessant ist.

Stahlpreise in der Türkei: Was Sie wissen müssen

„Wie viel kostet eine Tonne?” ist die falsche Frage. Die richtige Frage lautet: „Wie volatil ist der Markt heute?”

Die Preise in türkischen Werken ändern sich oft täglich, getrieben von Schrottpreisen (da EAF-Anlagen Schrott schmelzen) und Energiekosten. Da die Türkei Energie importiert, schlagen globale Gas- und Strompreisschwankungen direkt auf den Stahlpreis durch. Trotzdem bleibt türkischer Stahl oft preiswerter als europäischer – bei vergleichbarer Qualität.

Für aktuelle Tagespreise gibt es spezialisierte Portale wie Demir Fiyatları (auf Türkisch), die einen guten Richtwert bieten.

Hinter den Kulissen: Vom Erz zum Blech

Für Technik-Interessierte: Wie funktioniert die Magie in den türkischen Hallen? Der Prozess ist effizient getaktet:

  1. Rohstoff-Handling: Eisenerz, Kohle oder (viel häufiger) Stahlschrott kommen in den Werken an.
  2. Schmelze: Im Hochofen (bei Erdemir/Isdemir/Kardemir) wird aus Erz und Koks Roheisen. In den 27 Lichtbogenöfen (EAF) wird Stahlschrott mittels gewaltiger Stromstöße geschmolzen – das ist der Recycling-Weg.
  3. Veredelung: Der flüssige Stahl wird von Schwefel gereinigt und legiert.
  4. Gießen & Walzen: Der Stahl wird in Formen (Strangguß) gegossen und anschließend in Walzwerken zu Coils (Rollen) oder Blechen geformt.

Ob für den Bau von Wolkenkratzern oder für Sicherheitstüren – der hier produzierte Stahl ist das Rückgrat der türkischen Exportwirtschaft.

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