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Arbeiten, wo andere Urlaub machen? Das klingt traumhaft, doch die türkische Bürokratie ist der Weckruf, den viele Expats zu spät hören. Eine Arbeitserlaubnis (Çalışma İzni) in der Türkei zu bekommen, ist keine bloße Formalität – es ist eine finanzielle und rechtliche Hürde, die vor allem Ihren Arbeitgeber fordert.
Vergessen Sie veraltete Informationen aus 2023. Seit dem 1. Januar 2025 gelten neue, strengere Kapitalanforderungen für Unternehmen und angepasste Gehaltsfaktoren. In diesem Leitfaden nehmen wir die „Praktiker-Linse” ein: Wir zeigen Ihnen nicht nur die Gesetze, sondern die Realität – inklusive der Stolpersteine, über die kaum jemand spricht.
Die goldene Regel: Nicht Sie bewerben sich, Ihr Chef tut es
Hier liegt das größte Missverständnis: Als Arbeitnehmer können Sie die Arbeitserlaubnis nicht selbst „beantragen”. In der Türkei ist die Arbeitserlaubnis untrennbar an einen spezifischen Arbeitgeber gebunden. Das Unternehmen stellt den Antrag für Sie.
Wenn Sie den Job wechseln, verfällt Ihre Erlaubnis. Der neue Arbeitgeber muss den Prozess von vorne beginnen. Das macht Sie abhängiger als in anderen Ländern – wählen Sie Ihren Arbeitgeber also weise.
Die „5-Türken-Regel”: Die größte Hürde
Bevor Sie einen Vertrag unterschreiben, stellen Sie dem Unternehmen eine unangenehme Frage: „Erfüllt ihr die 5:1-Quote?”
Das Gesetz besagt: Für jeden ausländischen Mitarbeiter muss das Unternehmen fünf türkische Staatsbürger vollzeitbeschäftigen.
Die Ausnahmen (Neu für 2025):
- Großunternehmen: Firmen mit einem Nettoumsatz von über 50 Millionen TL sind für die ersten fünf ausländischen Mitarbeiter von dieser Quote befreit.
- Firmenpartner: Wenn Sie Miteigentümer einer Firma sind, gilt eine Schonfrist von 6 Monaten, bevor Sie die 5 Türken einstellen müssen.
Finanzielle Hürden 2025: Gehalt & Kapital
Der Staat will verhindern, dass Ausländer als billige Arbeitskräfte den Markt fluten. Deshalb muss Ihr Gehalt eine bestimmte Höhe haben – basierend auf dem aktuellen Brutto-Mindestlohn. Auch das Unternehmen muss finanzstark sein.
1. Mindestgehalt für Ausländer (Multiplikatoren)
Ihr Bruttogehalt muss mindestens das X-Fache des gesetzlichen Mindestlohns betragen:
- 6,5x bis 5x: Führungskräfte und Piloten (ca. 130.000+ TL, variiert je nach aktuellem Mindestlohn).
- 4x: Ingenieure und Architekten.
- 3x: Lehrer und Manager.
- 2x: Fachkräfte und Experten (früher 3x, jetzt teilweise gesenkt für bestimmte Rollen).
- 1x: Hausangestellte und Hilfskräfte.
Tipp: Prüfen Sie regelmäßig die aktuellen Werte, da der Mindestlohn in der Türkei oft halbjährlich angepasst wird. Mehr dazu finden Sie in unserem Artikel über die größten Unternehmen in der Türkei, die oft diese Gehälter zahlen können.
2. Anforderungen an das Unternehmen
Ein Kiosk um die Ecke kann Sie kaum sponsern. Seit dem 01.01.2025 gelten verschärfte Regeln:
- Eingezahltes Kapital: Mindestens 500.000 TL (früher 100.000 TL).
- Alternative: Ein Jahresumsatz von 8 Millionen TL oder Exporte im Wert von 150.000 USD.
Der Prozess: Von Innen oder Außen?
Option A: Antrag aus dem Ausland (Der Standardweg)
Sie sind noch in Deutschland, Österreich oder der Schweiz?
- Suchen Sie das türkische Konsulat in Ihrem Heimatland auf.
- Reichen Sie Ihren Arbeitsvertrag und Pass ein.
- Sie erhalten eine 16-stellige Referenznummer.
- Wichtig: Geben Sie diese Nummer sofort an Ihren Arbeitgeber weiter. Er hat nur 10 Tage Zeit, um den Prozess in der Türkei online abzuschließen.
Option B: Antrag aus der Türkei (Der Expat-Weg)
Sie leben bereits in der Türkei? Das ist oft einfacher, aber nur möglich, wenn Sie eine gültige Aufenthaltserlaubnis (Ikamet) besitzen, die noch mindestens 6 Monate gültig ist. Achtung: Touristenvisa oder kurzfristige Aufenthalte reichen hierfür nicht aus.
In diesem Fall erledigt der Arbeitgeber alles online über das e-System des Ministeriums für Arbeit und Soziale Sicherheit. Sie müssen das Land nicht verlassen.
Benötigte Dokumente
Obwohl der Arbeitgeber den Antrag stellt, müssen Sie liefern. Bereiten Sie diese Unterlagen vor – idealerweise übersetzt und notariell beglaubigt (mehr dazu in unserem Guide zur Beglaubigung in der Türkei):
- Gültiger Reisepass (noch min. 6 Monate gültig).
- Biometrisches Foto (letzte 6 Monate).
- Arbeitsvertrag (von beiden Parteien unterschrieben).
- Diplom oder Schulzeugnis (oft ist eine offizielle Anerkennung, Denklik, nötig).
Hinweis für Studenten: Wenn Sie in der Türkei studieren, gelten für Sie gesonderte Regeln bezüglich der Arbeitsstunden.
Verbotene Berufe: Hier heißt es „Nein”
Manche Türen bleiben für Ausländer fest verschlossen. Der türkische Staat schützt bestimmte Berufsstände strikt für seine eigenen Bürger. Sparen Sie sich die Bewerbung für folgende Jobs, es sei denn, Sie sind türkischer Staatsbürger:
- Recht: Anwalt, Richter, Staatsanwalt, Notar.
- Gesundheit: Zahnarzt, Apotheker (siehe dazu auch: Apotheker in der Türkei), Tierarzt. Hinweis: Für Ärzte und Krankenschwestern gibt es inzwischen Ausnahmeregelungen, aber die Hürden sind extrem hoch.
- Sicherheit: Privater Sicherheitsdienst.
- Schifffahrt: Kapitän, Matrose, Fischer in türkischen Hoheitsgewässern (Kabotagerecht).
- Zoll: Zollagent.
Laufzeit & Verlängerung
Die erste Arbeitserlaubnis gilt fast immer für ein Jahr. Wird sie verlängert, erhalten Sie meist zwei Jahre, bei der nächsten Verlängerung drei Jahre.
Ein großer Vorteil: Nach 5 Jahren ununterbrochener legaler Arbeit in der Türkei haben Sie grundsätzlich das Recht, die türkische Staatsbürgerschaft zu beantragen. Während dieser Zeit genießen Sie volle soziale Absicherung (SGK), was auch Zugang zum türkischen Gesundheitssystem bedeutet.
Planen Sie Ihre Zeit weise und beachten Sie auch die Feiertage in der Türkei, da Behörden dann geschlossen sind und Prozesse sich verzögern können.







