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Die Türkei ist nicht mehr nur ein Brückenkopf zwischen Europa und Asien; sie ist ein aggressiver, wachsender Markt mit eigenen Spielregeln. Wer hier investiert, tut dies wegen der strategischen Logistik und der jungen Demografie. Aber lassen Sie uns ehrlich sein: Die türkische Bürokratie kann ein Labyrinth sein, und veraltete Informationen sind hier teuer. Was vor zwei Jahren galt, ist heute oft hinfällig.
Dieser Artikel ist kein theoretischer Vortrag. Wir betrachten den Prozess durch die Brille des Praktikers: Wo liegen die echten Hürden? Welche neuen Gesetze gelten ab Dezember 2025? Und vor allem: Wie vermeiden Sie Fehler, die andere Tausende von Lira gekostet haben?
Warum die Türkei? (Jenseits der Broschüren)
Vergessen Sie für einen Moment die Standard-Argumente über Sonne und Gastfreundschaft. Wirtschaftlich sprechen wir von einem Land mit 416 Organisierten Industriezonen (OSB) und einer massiven Produktionsbasis. Wenn Sie sehen wollen, wer es bereits geschafft hat, werfen Sie einen Blick auf die Top 10 der größten Unternehmen in der Türkei. Diese Konzerne nutzen die Türkei als Export-Hub.
Ein Blick auf die aktuellen Außenhandelsindizes der Türkei zeigt, dass trotz globaler Schwankungen das Exportvolumen der eigentliche Motor ist. Aber um daran teilzuhaben, müssen Sie Ihre Hausaufgaben machen.

Staatliche Anreize: Das Kleingedruckte lesen
Die Türkei lockt Investoren aggressiv an, aber die Bedingungen wurden verschärft. Hier müssen wir unterscheiden zwischen dem, was auf dem Papier steht, und der realen Anwendung im Jahr 2025/2026.
- Freizonen (Serbest Bölgeler): Es gibt 19 aktive Zonen. Der Klassiker: 100 % Befreiung von Zöllen und MwSt. Aber Vorsicht: Seit dem 1. Januar 2025 wurde die Körperschaftsteuerbefreiung für Verkäufe aus der Freizone in den türkischen Inlandsmarkt gestrichen. Die Steuerbefreiung gilt nun primär für echte Exporteure (85 % Exportquote).
- Technologieentwicklungszonen (Teknoparks): Ideal für Software und F& E. Die Unterstützung für Remote-Arbeit wurde bis Ende 2025 verlängert (100 % für Informatiker). Neu ist jedoch eine Obergrenze bei der Lohnsteuerbefreiung, die nun an das 40-fache des Mindestlohns gekoppelt ist.
Gesellschaftsformen & Neue Kapitalanforderungen (Update 2025)
Das wichtigste Update für Sie: Die Inflation hat die Mindestkapitalgrenzen nach oben getrieben. Wer noch mit den alten Zahlen kalkuliert, wird beim Handelsregister abgewiesen.
- Limited Şirket (Ltd. Şti. – GmbH-Äquivalent): Dies ist die Wahl für 90 % der KMUs. Das Mindeststammkapital beträgt jetzt 50.000 TL (früher 10.000 TL).
- Anonim Şirket (A.Ş. – Aktiengesellschaft): Für größere Operationen oder wenn Sie Investoren an Bord holen wollen. Das Mindestkapital liegt nun bei 250.000 TL (für nicht-börsennotierte A.Ş. mit eingetragenem Kapitalsystem sogar 500.000 TL).
Experten-Tipp: Zahlen Sie nicht nur das Minimum ein. Banken und Lieferanten sehen ein höheres Startkapital als Zeichen der Seriosität. Zudem müssen bestehende Firmen ihre Kapitalbasis bis Ende 2026 anpassen.
Der Gründungsprozess: Digital, aber tückisch
Der Prozess läuft zentral über das System MERSIS. Hier hat sich 2025 etwas Entscheidendes geändert: Die Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur (E-Imza) oder mobilen Signatur ist nun für fast alle Schritte Pflicht. Die Zeiten der einfachen Nassunterschrift sind vorbei.
Die notwendigen Schritte
- MERSIS-Registrierung & Satzung: Alles beginnt digital. Sie benötigen eine türkische Steuernummer für Ausländer (Potansiyel Vergi Numarası).
- Notarielle Beglaubigung: Auch im digitalen Zeitalter liebt die Türkei den Notar. Pässe müssen übersetzt und beglaubigt werden. Mehr zu den Kosten und Prozessen finden Sie in meinem Erfahrungsbericht zur Beglaubigung in der Türkei.
- Wettbewerbsbehörde (Rekabet Kurumu): 0,04 % des Kapitals müssen eingezahlt werden. Dies läuft heute oft integriert über das „Harç Takip Sistemi” in MERSIS.
- Bankkonto & Kapitaleinzahlung: Bei einer A.Ş. müssen 25 % des Kapitals vor Gründung blockiert werden. Bei einer Ltd. kann das Kapital oft erst nach Eintragung innerhalb von 24 Monaten eingezahlt werden (je nach Bankpraxis).
- Handelsregister: Die finale Eintragung dauert oft nur 1-3 Tage, wenn die Papiere stimmen.
Steuern & Buchhaltung: Die Zahlen für 2025/2026
Ein guter Buchhalter (Mali Müşavir) ist in der Türkei keine Option, sondern gesetzliche Pflicht. Die Steuerlandschaft hat sich verschärft:
- Körperschaftsteuer (Kurumlar Vergisi): Der allgemeine Satz liegt 2025 bei 25 %. Für Finanzinstitute (Banken, Factoring) sind es 30 %. Neu ist die Einführung einer „Inländischen Mindestkörperschaftsteuer” von 10 %, um Steuervermeidung zu erschweren.
- Einkommensteuer: Die Tarife sind progressiv. 2025 gilt: Bis 158.000 TL zahlen Sie 15 %. Der Spitzensteuersatz von 40 % greift ab 4,3 Millionen TL.
Personal: Ausländer einstellen
Viele ausländische Gründer wollen Landsleute einstellen. Das ist möglich, aber teuer und bürokratisch.
Das Arbeitsministerium prüft streng. Die sogenannte 5:1-Regel gilt weiterhin: Für jeden Ausländer müssen Sie fünf türkische Staatsbürger beschäftigen. Zudem wurde die Hürde für das Unternehmen erhöht: Um überhaupt einen Ausländer anstellen zu dürfen, muss das eingezahlte Kapital Ihres Unternehmens nun mindestens 500.000 TL betragen (oder der Bruttoumsatz 8 Mio. TL).
Die Kosten 2025: Rechnen Sie für eine einjährige Arbeitserlaubnis mit Gebühren von ca. 10.571 TL plus Kartengebühr.

Kostenübersicht: Was kostet der Start wirklich?
Abgesehen vom Stammkapital müssen Sie mit folgenden Verwaltungskosten rechnen:
- Handelskammer (z. B. Istanbul – İTO): Die Registrierungsgebühr liegt bei ca. 2.610 TL, der Jahresbeitrag zwischen 2.650 und 3.800 TL.
- Notarkosten: Für Satzung, Unterschriftszirkular und Übersetzungen sollten Sie mindestens 5.000 – 10.000 TL einplanen (stark abhängig von der Seitenzahl).
- Buchhalter: Monatliche Honorare für eine inaktive oder kleine Firma starten selten unter 3.000 – 5.000 TL.
Fazit
Eine Firma in der Türkei zu gründen ist 2025 teurer und digitaler geworden als noch vor wenigen Jahren. Die Anhebung der Mindestkapitalgrenzen auf 50.000 TL (Ltd.) und 250.000 TL (A.Ş.) war überfällig und filtert den Markt. Wer die Türkei nicht nur als billige Werkbank, sondern als strategischen Standort sieht, findet hier weiterhin enorme Chancen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt nicht in der Geschäftsidee allein, sondern in einem kompetenten Mali Müşavir (Steuerberater), der Sie durch den Dschungel der neuen Steuergesetze führt.





